Perfider Plan um Atommüll-Endlagerung: Nach RWE will auch E.ON den Bund mit Schadensersatzforderung erpressen
Nach RWE will nun wohl auch Eon den Staat auf Schadensersatz verklagen. Was die Wirtschaft aber eigentlich will, ist ein Deal über die Haftung für den Atommüll. Eine perfide Erpressung, auf die der Bund nicht eingehen darf!
Der Atomkonzern RWE hat vor Gericht Recht bekommen, Schadensersatz für die erzwungene Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis im Rahmen des Super-GAU von Fukushima fordern zu dürfen. Die vom Land Hessen angeordnete Abschaltung wenige Tage nach dem Beginn der japanischen Katastrophe war „wegen Formfehlern“ rechtswidrig. Nun will auch EON den Staat verklagen. Es geht um hunderte Millionen Euro – und die Chancen stehen angeblich nicht schlecht, dass zumindest Teilforderungen für rechtmäßig erklärt werden könnten. Eine Drohkulisse, vor der einige Politiker bereits eingenickt sind. Es geht nämlich eigentlich um viel mehr: Die Stromkonzerne wollen dem Staat die Verantwortung für den Atommüll aufbürden – und am liebsten das Risiko der Atomanlagen dazu.
„Vattenfall, RWE, EnBW und Eon könnten das Schreckensszenario für den Steuerzahler nutzen, um die Haftung für den Atommüll loszuwerden“, sagt der Berliner Atomrechtsexperte Olaf Däuper.
Nun hat auch der Atomkonzern EON, der mit den Atomkraftwerken Isar-1 und Unterweser durch die Zwangsabschaltungen betroffen war, angekündigt den Bund auf Schadensersatz zu verklagen. Zunächst habe der Konzern „allein deshalb von einer Klage abgesehen, weil der Konzern laut einer Sprecherin nach dem Super-Gau in Fukushima Fingerspitzengefühl beweisen wollte“, schreibt der „Tagesspiegel“. Nun wendet sich das Blatt: EON wolle nun „die Interessen der Aktionäre“ vertreten – Klagen gegen den Freistaat Bayern und das Land Niedersachsen stünden bevor, heißt es aus Konzernkreisen. Der geforderte Schadensersatz dürfte bei mehreren hundert Millionen Euro liegen.
In einem weiteren Fall könnten Eon, RWE und auch Vattenfall Entschädigungen für ihre alten Meiler erlangen: vor dem Bundesverfassungsgericht ist eine grundsätzliche Klage gegen den Atomausstieg enhängig. Voraussichtlich Anfang 2015 soll in Karlsruhe die mündliche Verhandlung beginnen. Die drei Stromkonzerne argumentieren in ihrer Klage, dass sie die im Jahr 2002 zugesagten Reststrommengen für ihre Reaktoren nicht produzieren konnten. Die Bundesregierung habe durch das Kassieren der Laufzeitverlängerung den Bestandsschutz der Konzerne außer Kraft gesetzt. Außerdem gibt es noch die Klage der Energieversorger vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen die nach ihrer Auffassung unzulässige Kernbrennstoffsteuer. Experten schätzen, dass der eilige Atomausstieg Deutschland insgesamt bis zu 15 Milliarden Euro kosten könnte.
Eine ungeheure Drohkulisse gegenüber der Bundesregierung. Ein „außergerichtlicher Deal“ sei daher bereits in Arbeit: Die Atomkonzerne könnten auf Schadensersatz für den Atomausstieg verzichten, wenn die Bundesregierung im Gegenzug die Haftung für den Atommüll übernähme. Die 36 Milliarden Euro an Rücklagen für die Entsorgung kämen in einen entsprechenden Atom-Fonds oder eine Stiftung. Vorteil dieser Lösung: Geht einer der Konzerne insolvent, wäre das Geld weg – so läge es bei der Stiftung. Schon heute haben die Konzerne ihr Atomgeschäft in Schwesterfirmen ausgelagert, ob die Haftung automatisch an den Mutterkonzern übertragen würde ist unter Juristen strittig. Nachteil der Stiftungslösung: Die Rücklagen werden höchstwahrscheinlich nicht ausreichen, um die Entsorgung des Strahlenabfalls zu finanzieren – und dann müssten die Steuerzahler einspringen.
Für die Stromkonzerne sei es deshalb interessant, sich noch vor den Urteilen aus Karlsruhe, Luxemburg und Washington mit der Bundesregierung zu einigen, berichtet Atomrechtsexperte Däuper. Denn sollten ihre Klagen abgewiesen werden, hätten sie ihre Verhandlungsmasse verloren.
Atomkraftgegner sprechen von einem „dreisten Plan“ der Atomkonzerne. Erst haben sie Milliarden mit ihren alten Meilern verdient, dann wollen sie das Risiko und die Entsorgung dem Steuerzahler aufladen.
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Quelle (Auszug): tagesspiegel.de; 15.9.2014