„Atomkraft schadet dem Ländle“ – Greenpeace-Aktivisten protestieren in Neckarwestheim
Ein baufälliger Reaktor, ein jahrealter Nachrüst-Antrag und eine zuständige Ministerin, die zunehmend in die Bredouille gerät. Gegen die fragwürdige Atomaufsicht in Baden-Württemberg protestieren Greenpeace-Aktivisten am Uralt-Meiler Neckarwestheim I. Kletterer haben in den Morgenstunden am Kühlturm der Anlage ein 500 Quadratmeter großes Banner entrollt: „Atomkraft schadet dem Ländle.“
Ob diese Botschaft beim baden-württembergischen Umweltministerium ankommt? Seit 41 Monaten liegt CDU-Ministerin Tanja Gönner ein Antrag des Betreibers EnBW vor. Die Forderung: „zwingend erforderlich(e)“ Wartungsarbeiten am AKW Neckarwestheim I. Genehmigt hat sie die nicht. Greenpeace hat den EnBW-Antrag am 23. Februar veröffentlicht und fordert die sofortige Abschaltung des Reaktors:
„Über Jahre wurden notwendige Sicherheitsnachrüstungen von Umweltministerin Tanja Gönner verschleppt und entsprechende Anträge verheimlicht“, sagt Tobias Riedl, Atomexperte bei Greenpeace. Er stellt klar: „Neckarwestheim 1 ist unsicher und veraltet“.
34 Jahre hat der Meiler bereits auf dem Buckel. Zwar war die vereinbarte Reststrommenge bereits im Januar 2011 aufgebracht. Dank Laufzeitverlängerung läuft der Reaktor nun weitere acht Jahre.
Was ist da faul?
Warum die Ministerin den Antrag geschickt in der Schublade verschwinden ließ? Auf die Veröffentlichung des EnBW-Antrags hin wirft sie Greenpeace „verantwortungslose Panikmache“ vor und ignoriert, dass selbst EnBW als Betreiber 2007 die Nachrüstung im „öffentlichen Interesse“ beantragt hat. Nur einige Tage zuvor hatte Gönner selbst gedroht, Neckarwestheim 1 stillzulegen und einen Nachrüstplan gefordert. „Bei Gönners Atomaufsicht scheint etwas faul zu sein. Sie muss sofort die ihr offensichtlich vorliegende Mängelliste des Reaktors veröffentlichen,“ so Greenpeace-Sprecher Riedl.
Mappus: Zu hoch gepokert?
Neckarwestheim 1 ist der zweitälteste Meiler Deutschlands. Er gilt als besonders unsicher. Grund sind erhebliche bauartbedingte Sicherheitsmängel, wie zum Beispiel eine nur wenige Zentimeter dünne Reaktorhülle. Warum riskiert man im Ländle trotzdem die Sicherheit der Bevölkerung?
Offensichtlich wohl eine Frage des Geldes: Der Rückkauf der EnBW-Anteile durch das Land Baden-Württemberg katapultierte die Landesregierung unter Stefan Mappus (CDU) in eine Zwickmühle. Ohne die Gewinne aus dem abgeschriebenen Meiler Neckarwestheim wackelt die Finanzierungsstrategie. Immerhin sind mit der EnBW-Dividende die Zinsen für zwei Milliardenanleihen zu decken. Teure Sicherungsmaßnahmen oder die Stilllegung des Reaktors würden die Dividende schmälern. „Frau Gönner scheint unter dem Druck zu stehen, die Kosten in Neckarwestheim zu minimieren“, so Greenpeace-Sprecher Riedl. Er fordert: „Die Sicherheit der Bürger darf nicht Opfer des Dividendendrucks werden.“
- EnBW zu Greenpeace-Aktion: Untauglicher Versuch GKN zu diskreditieren
Mitglieder von Greenpeace sind heute morgen in das Betriebsgelände des Kernkraftwerks Neckarwestheim eingedrungen und haben einen Kühlturm besetzt. Bei dem Überklettern eines Zauns wurden sie von Mitarbeitern der Objektsicherung vor Ort beobachtet, diese informierten umgehend die Polizei. Ein Vordringen in weitere Bereiche der Anlage war durch das gestaffelte Sicherheitskonzept nicht möglich.
Quelle Text & Bild: www.greenpeace.de, 28.02.2011