Werden Deutschlands Nuklearanlagen gegen Terrorangriffe geschützt?
Vor zehn Jahren, nach den Anschlägen auf das World-Trade-Center in den USA entbrannte eine Debatte um die Sicherheit der Atomkraftwerke gegenüber Flugzeugabstürzen. Plötzlich war ein bislang als Restrisiko gewertetes Kriterium – der gezielte Terrorangriff auf ein Meiler mit einem Flugzeug – zu einer denkbaren Bedrohung geworden. In zehn Jahren hat sich zur Verbesserung der Sicherheit einiges getan.
Kein deutsches Atomkraftwerk hält einem gezielt herbeigeführten Absturz eines vollgetankten Verkehrsflugzeugs stand. Zuletzt hat die Reaktorsicherheitskommission in ihren Untersuchungen nach dem Super-GAU in Japan eklatante Mängel bei allen AKWs gegenüber Flugzeugabstürzen ermittelt. Im sog. „Stresstest“ war allerdings ein gezielter Terrorangriff nicht untersucht worden – denn die Ergebnisse wären vernichtend für den Weiterbetrieb der verbleibenden Reaktoren.
Seit 2001 wurden unterschiedliche Methoden des effektiveren Schutzes gegenüber gezielten Flugzeugabstürzen diskutiert. Umgesetzt sind „Nebelwerfer“ an einigen Standorten, die innerhalb kurzer Zeit den Reaktor in einer künstlichen Nebelwand verschwinden lassen sollen – und so dem Angreifer unsichtbar werden. Greenpeace hatte nach Veröffentlichung der Pläne dargelegt, dass in Zeiten von Autopilot-gesteuerten Flugzeugen derartige Massnahmen wirkungslos sind. Von den Betreibern der AKWs wird zudem auf eine „verbesserte Zusammenarbeit“ mit der Flugaufsicht gesprochen, die jeden Flieger, der vom Kurs abweicht binnen kurzer Zeit ermittelt. Die Flugdauer bis zum AKW Isar-2 vom Flughafen München beträgt wenige Minuten.
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In einem Flugsimulator-Experiment im Auftrag der Bundesregierung gelang es den Testpiloten bei jedem zweiten Versuch das Simulator-Flugzeug in ein Atomkraftwerk zu steuern.
Als tatsächliche, wirkungsvolle Massnahme gegen Terrorgefahr ist die Abschaltung der sieben ältesten AKWs und Krümmel zu bewerten. Doch auch die in Abklingbecken befindlichen Brennelemente stellen weiterhin eine Gefahr dar, besonders in den wenig geschützten Siedewasserreaktoren. Daher muss zeitnah ein völlig neues Entsorgungskonzept wie dezentrale Brennelementelagerung an extrem sicheren Orten erarbeitet werden. Das heutige Schutzkonzept Castorbehälter – wie es in allen dezentralen und zentralen Zwischenlagern Anwendung findet – hat sich nach Unfalltests als nicht ausreichend wirksam erwiesen. Die Behälter überstehen wahrscheinlich nur einem 800-Grad heissen Feuer über 30 Minuten. Danach ist mit einer Freisetzung des Inventars zu rechnen.
Darüber hinaus braucht es gar kein Flugzeug, um in Atomkraftwerken eine Havarie zu provozieren. In den Auseinandersetzungen um das Schnelle Brüter-Kraftwerk Malville in Frankreich beschossen Gegner die Anlage mit einer Rakete. Panzerbrechende Waffen, wie etwa das russische Modell AT 14 Kornet, wiegen weniger als 25 Kilogramm, verfügen über eine Laser-Zielortung und können noch auf eine Distanz von 3,5 Kilometern ein Ziel sicher treffen. Der Abschuss kann von einem Dreibein erfolgen, das Gerät kann aber auch auf einem Fahrzeug montiert werden. Es ist laut Hersteller sogar möglich, von einem Zielgerät zwei Abschussvorrichtungen gleichzeitig anzusteuern, und dadurch ein Ziel simultan mit zwei Raketen anzugreifen. Besonders die Notstromversorgung oder Notkühlung sind – das hat Fukushima gezeigt – extrem sensible Bereiche, nach deren Ausfall im Zusammenhang mit weiteren Ereignissen eine Kernschmelze kaum zu verhindern ist.
Verfügen die „neueren“ neun Reaktoren, die noch am Netz sind zwar über dickere Betonhüllen als die älteren, seit März stillgelegten, ist eine Sicherheit gegen Terror also keineswegs gegeben. Auch die verbleibenden Meiler müssen daher unverzüglich abgeschaltet und schnellstmöglich entsorgt werden. Nur so kann die Zeitbombe AKW entschärft werden. Identische Forderungen sind für die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brennelementefertigung in Lingen zu stellen: hier existiert kaum Schutz gegen Flugzeugabstürze.
Und die verantwortlichen Betreiber? In einem von E.on und dem bayrischen Innenministerium im Juni 2008 herausgegebenen Notfallratgeber für die Bevölkerung im Umkreis der Isar-Kraftwerke heisst es unter der Überschrift „Was könnte bei einem Unfall geschehen?“: „Ein nach westlichen Standards gebautes und genehmigtes Kernkraftwerk kann aus physikalischen Gründen nicht explodieren. Es ist technisch so ausgelegt, dass bei allen Arten von Störfällen ein nennenswerter Schaden in der Umgebung der Anlage vermieden werden kann.“ (…) „Unfälle, die über den Rahmen dieser Auslegungsstörfälle hinausgehen, können nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden.“
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Es gibt mehr als 100 gute Gründe für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen. Grund 26 beschäftigt sich mit Flugzeugabstürzen: http://100-gute-gruende.de
Quellen (Auszug): de.wikipedia.org; 11.09.2011