heute vor 40 Jahren: Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Stade
Das Atomkraftwerk Stade war ein Druckwasserreaktor der 1. Generation und wurde vom 29.01.1972 bis zur endgültigen Abschaltung am 14.11.2003 trotz gravierneder SIcherheitsprobleme betrieben. Es war das erste AKW, das nach dem rot-grünen Atomausstiegbeschluss abgeschaltet wurde, der Abbau wird noch bis 2015 dauern. Auch danach bleibt der Stadt ein Zwischenlager erhalten.
Das AKW Stade gehörte neben dem Atomkraftwerk Würgassen zu den ersten kommerziell genutzten Reaktoren in Deutschland. Als erstes AKW in der Bundesrepublik gab das KKS außer Strom auch Wärme ab, die seit 1984 als Fernwärme für einen benachbarten Salinenbetrieb ausgekoppelt wurde.
Im Januar 1972 bekam der damalige Betreiber Kernkraftwerk Stade GmbH die Genehmigung für die nukleare Inbetriebsetzung, am 29.01.1972 wurde der erste Strom ins öffentliche Netz eingespeist. Stade ging damit als damals elfter Atomreaktor Deutschland ans Netz. Im März 1972 fand der erste Test unter Volllast – damals 630 Megawatt (elektrisch) – statt, so dass im Mai der kommerzielle Leistungsbetrieb begonnen werden konnte.
Der Betrieb 31jährige Betrieb war gekennzeichnet von Pannen und Störfällen. Bis heute haben sich laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) 316 meldepflichtige Vorkomnisse ereignet, zahlreiche weitere nicht meldepflichtige Pannen. Trotz einer ganzen Reihe von Nachrüstungen konnten gravierende Schwachstellen auch nachträglich nicht beseitigt werden. Die nur 60cm-dicke Reaktorkuppel hätte einem Flugzeugabsturz nicht standgehalten. Auch das nachträglich errichtete Notstandsgebäude war nicht gegen den Aufprall einer Militärmaschine oder eines Verkehrsflugzeugs ausgelegt. Bei Störfallszenarien mit Einsatz der Notkühlung hätte wegen der Verwendung eines anfälligen Werkstoffes der Reaktordruckbehälter bersten können. Das Problem wurde mit dem Alter des Reaktors noch verschärft, da die Neutronenstrahlung zur Versprödung des Materials führte.
Im September 1988 schlossen nach einen elektronischen Fehler Ventile in allen Hauptdampfleitungen. Durch den erfolglosen Versuch sie zu öffnen, entstand eine Druckwelle in den Dampfleitungen. Es kam glücklicherweise nicht zum Bruch der Leitungen – was zu einer Kernschmelze hätte führen können.
Im August 2002 musste der Reaktor nach einem Brand abgeschaltet werden. Durch das Feuer in der Schaltanlage waren wichtige Sicherheitseinrichtungen wie Sicherheitseinspeise- und Nachkühlpumpen zum Teil nicht mehr verfügbar. Nachträglich wurde die Meldung in die Kategorie „Eilt“ eingestuft. Das Bundesumweltministerium forderte einen Bericht. Diskutiert wurde eine Hochstufung in INES 1 – es wäre das erste Ereignis dieser Klasse gewesen.
Auch nach der Abschaltung kam es zu Störfällen: Am 29.05.08 wurde zwischen zwei Leitungen ein Riss entdeckt, wodurch es zu einer „radioaktiven Kontamination“ innerhalb des Atommeilers gekommen war. Die letzte Meldung musste E.ON im November 2011 machen, als eine Brandschutzklappe nicht funktionierte.
Mit 672 Megawatt war das Atomkraftwerk Stade am Ende eines der leistungsschwächsten der Bundesrepublik.
Im Jahr 2000, nach Vereinbarung des „Atomkonsenses“, gab der Betreiber bekannt, dass er für 2003 die Stilllegung von Stade plane. Er führte hierfür wirtschaftliche Gründe an, insbesondere die damals niedrigen Preise auf dem Strommarkt, die Wasserentnahmegebühr und das Verbot von Transporten abgebrannter Brennstäbe in die Wiederaufarbeitungsanlagen ab 2005. Damit wäre der Bau eines Standortzwischenlagers nötig geworden, der auch beantragt war, aber wegen der Abschaltung wieder zurückgezogen wurde. Der letzte Castor-Behälter wurde am 27.4.2005 in Richtung La Hague abtransportiert. Damit enthielt das AKW inzwischen keine Brennelemente mehr, laut E.ON waren damit auch 99% der Radioaktivität abtransportiert. Allerdings befanden sich immer noch 24 Tonnen radioaktiver Schrott im Brennelemente-Abklingbecken.
Am 14.11.2003 wurde das AKW endgültig abgeschaltet. Mit der Stilllegung begann der vereinbarte Atomausstieg früher als erwartet. E.ON Kernkraft teilte in einer Pressemitteilung mit: „Das Kernkraftwerk Stade wurde im November 2003 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt und befindet sich seitdem in Rückbau.“ Bis September 2005 wurde der Reaktor in den sog. „Restbetrieb“ überführt. Laut Atomausstieg verbliebene Reststrommenge sollten nach Plänen E.ONs auf andere Atomkraftwerke umgeschlagen werden. Über die rechtliche Interpretation dieser Möglichkeit gab es vor der Laufzeitverlängerung 2010, als einigen Meilern das Aus drohte, auch reichlich Diskussionen.
Am 7.9.2005 bzw. 15.2.2006 wurden die Genehmigungen für Stilllegung und Rückbau erteilt. Ende Juli 2007 wurde auf dem Gelände des AKW mit der Einlagerung der ersten Behälter das Lager für radioaktive Abfälle in Betrieb genommen. Fortlaufend wurden seitdem schwach und mittelaktive sogenannten „Mosaik II-Behälter“ eingelagert. Am 21.09.07 erfolgte der Abtransport von vier radioaktiven Dampferzeugern nach Nyköping in Schweden zu den Recyclings- und Einschmelz-Anlagen der Vattenfall-Tochter Studsvik AB. Der Rückbau erfolgt in mehrere Phasen und soll bis 2015 dauern. Schon 2014 soll die Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung geschehen.
Der beim Abbau anfallende schwach- und mittelaktive Atommüll – ca. 3.000 Tonnen – sollen bis zur Intebrienahme von Schacht Konrad in Stade bleiben. Genehmigt ist der Betrieb vorerst für 40 Jahre. Der größte Teil des Abfalls, insgesamt sollen 330.000 Tonnen Abbaumasse anfallen, wird jedoch „freigegeben“, d.h. wenn die Strahlung unter bestimmten Grenzwerten liegt, als „normaler“ Müll entsorgt oder auch recycelt. In den vergangenen Jahren sind diese Abfälle auf der Mülldeponie bei Schneverdingen in Niedersachsen gelandet, bis sich besorgte Bürger für einen Stop einsetzten.
500 Millionen Euro hat Betreiber E.ON für den Abriss kalkuliert, mehr als dreimal so viel wie der Bau des AKW einst kostete. Ob das reicht, ist unklar. Denn die Inbetriebnahme von Schacht Konrad – und damit das Ende der Zwischenlagerung in Stade – rückt wegen Problemen mit der Genehmigung in immer weitere Ferne.
- Anwohner haben Angst vor AKW-Schutt
27. Oktober 2011 – E.ON als Betreiber des Rückbaus ist stolz darauf: nur ein kleiner Teil des Abrissmaterials des Atomkraftwerks Stade muss als radioaktiver Müll entsorgt werden. Ein Großteil kann auf Hausmülldeponien entsorgt werden. Eine davon liegt bei Schneverdingen – die Anwohner schlagen Alarm, denn der Schutt ist radioaktiv.
- Atomausstieg? Die Wahrheit Teil 15: AKWs kommen auf den Hausmüll
Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Und wegen einer Änderung des Strahlenschutzgesetzes landen tausende Tonnen radioaktiver Abfälle statt in einem Endlager auf Hausmülldeponien oder werden wiederverwendet.
Quellen (Auszug): eon-kernkraft.com, portalu.de, nadir.org/sand, bmu.de, robinwood.de, temporati.de; 29.01.2012