Aus für AKW Biblis: RWE darf Steuerzahler auf Schadensersatz verklagen

Der Energiekonzern RWE hat im Streit um die Stilllegung seines Atomkraftwerks Biblis einen Etappensieg erzielt: Er darf gegen die Abschaltung des AKW Biblis klagen. Es geht um Schadensersatz, weil die Meiler stillgelegt werden mussten. Atomkraftgegner bezeichnen die Entscheidung als Perfidie, denn RWE hinterlässt tausende Tonnen Atommüll, für den es keine Lösung gibt. Tag für Tag setzt der Konzern den Steuerzahler einem GAU-Risiko durch den AKW-Betrieb in Emsland und Gundremmingen aus.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ließ am Mittwoch eine Klage des Konzerns gegen eine Anordnung der Landesregierung zu: RWE darf Deutschland auf Schadensersatz verklagen. Damit kommt das Gericht der Ansinnen des Atomkonzerns nach, das „Moratorium“ nach der Reaktorkatastrophe Fukushima, während dessen es im März 2011 zur Zwangsabschaltung der alten Reaktoren kam, als rechtwidirg einzuschätzen. In der Verhandlung am Mittwoch ging es aber lediglich um die Zulassung der Klage, nicht um die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Ministeriums selber. Darüber will der Hessische Verwaltungsgerichtshof später entscheiden.

Die Chance, vom Land Hessen für die Zwangsabschaltung Geld zu sehen, ist mit diesem Urteil aber schonmal erhöht worden: RWE habe „ein berechtigtes Interesse“, die Rechtsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen. Die Schadenersatzklage sei nicht offenkundig ohne jegliche Erfolgaussichten – und der zivilrechtliche Prozess auf Schadenersatz ernsthaft beabsichtigt.

RWE erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass durch die befristete Stilllegung der beiden Blöcke ein Schaden von insgesamt 187 Millionen Euro entstanden sei. Langfristige Liefervereinbarungen hätten nicht erfüllt werden können, ohne Strom zuzukaufen.

05.03.2009 - Proteste vor dem Haus von RWE-Chef Grossmann in Hamburg

05.03.2009 - Proteste vor dem Haus von RWE-Chef Grossmann in Hamburg

Das Wiesbadener Umweltministerium zweifelte besonders im Falle von Biblis B einen Schaden an. Der Block habe sich in Revision befunden, als das Moratorium begann. Die Arbeiten hätten die befristete Stilllegung überdauert. Dies habe „rein technische Gründe“ gehabt. RWE widersprach dieser Darstellung.

RWE hatte als einziger Betreiber gegen das Atommoratorium geklagt – auch wegen „aktienrechtlicher Verpflichtungen des Vorstands“, so RWE. Gegen das endgültige Aus ihrer Anlagen klagen sowohl RWE als auch der Konkurrent E.ON. Allein E.ON will vom Steuerzahler Schadenersatz in Höhe von acht Milliarden Euro kassieren. Die Verfahren dürften Jahre dauern.

Atomkraftgegner weisen die Forderung nach Schadensersatz zurück und Fordern die Stilllegung der AKW Emsland und Gundremmingen, die von RWE betrieben werden:

„RWE hinterlässt nach dem jahrzehntelangen Betrieb der Biblis-Blöcke einen wahnsinnigen Atommüllberg und  hat während dessen Gewinne in Milliardenhöhe eingestrichen. Viele Folgegenerationen werden sich noch mit den nuklearen Hinterlassenschaften des Konzerns herumplagen müssen, wobei heute niemand eine sichere Lösung für die Abfälle hat“, so Jan Becker von contrAtom. „Der Konzern muss das atomare Zeitalter jetzt tatsächlich hinter sich lassen und endlich zu seiner Verantwortung stehen: AKWs stilllegen und eine Atommülldebatte führen – anstatt den Steuerzahler auf Schadensersatz zu verklagen. Die Forderung an diejenigen zu stellen, die noch immer Tag für Tag dem Risiko eines schweren Unfalls ausgesetzt sind, ist perfide.“

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Quellen (Auszug); de.reuters.com, dapd; 05.07.2012