Vattenfall: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff
Der staatseigene schwedische Stromkonzern Vattenfall AB gab bekannt, dass der im Jahre 2008 abgeschlossene Beherrschungsvertrag zwischen der schwedischen Konzernmutter Vattenfall AB und der Deutschland-Tocher “Vattenfall Europe AG” im Herbst 2012 aufgelöst werden soll. Damit ändert sich die Haftung für Atomunfälle. Vattenfall betreibt in Deutschland die AKW Krümmel und Brunsbüttel, an Brokdorf trägt es 30 Prozent Kraftwerks-Anteil.
In Zukunft, so teilte das Unternehmen mit, werde die AG auf eine bereits bestehende “Vattenfall GmbH” verschmolzen – und sich damit als Konzern aus der Verantwortung vor Haftungsschäden für den Fall einer atomaren Katastrophe verabschieden.
„Wie es bei Vattenfall üblich ist, werden die eigentlichen Informationen – wenn überhaupt – eher am Rande genannt. Erst in der letzten Zeile der aktuellen Pressemitteilung erwähnt der Atomkonzern, diese erhebliche Veränderung“, bemerkt Dirk Seifert, Energiereferent von Robin Wood.
Nach dem deutschen Gesetz haftet bei nuklearen Unfällen zunächst die Betreibergesellschaft des betroffenen Atomkraftwerks. Reichen die Mittel nicht aus, wird der Konzern herangezogen, in diesem Fall also künftig die deutsche Vattenfall GmbH. Darüber hinaus gehende Schäden bis zu einem Umfang von 2,5 Mrd. Euro werden notfalls von der Solidargemeinschaft aller deutschen AKW-Betreiber getragen. Für alles, was über diese Schadenssumme hinausginge, haftet bislang der schwedische Staat. Durch die Umfirmierung wird dieses zusätzliche Haftungsverhältnis beendet.
Vattenfall behauptet, diesen Schritt vor allem aus steuerlichen Gründen zu vollziehen. Dass das eigentliche Motiv aber der Wegfall der Haftungsrisiken ist, daran glauben nicht nur Atomkraftgegner. Als der Beherrschungsvertrag im Jahr 2008 bekannt wurde, gab es riesen Ärger in Schweden – in der Folge musste der damalige Vattenfall-Chef und ehemaliger Klimaschutzberater von Angela Merkel – Lars Goeran Josefsson – 2010 bei Vattenfall seinen Hut nehmen. Denn ausgerechnet für die beiden Pannen-Meiler Krümmel und Brunsbüttel mussten nun die schwedischen SteuererzahlerInnen die Haftung übernehmen.
Die Umfirmierung zur GmBH wirft weitere Fragen auf: Zwar will Vattenfall das Stammkapital nach eigenen Aussagen mit 500 Millionen Euro nahezu verdoppeln, dass dieses Geld aber für die Haftung bei einem GAU ausreichen wird, ist sehr fraglich.
„Auch der bevorstehende Rückbau der beiden Atommeiler wird immense Kosten verursachen, über deren Höhe bis heute nur spekuliert werden kann. Für diesen Rückbau haben die Konzerne über Jahre hinweg Rückstellungen gebildet, die ihnen außerdem enorme Steuervorteile eingebracht hatten“, so Dirk Seifert. „Was nun bei der Neuregelung mit diesen Rückstellungen wird, ist vollkommen unklar.“
Das für die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein zuständige Umweltministerium erklärte, sich die Auswirkungen der Neuregelungen bei Vattenfall detailliert schriftlich darstellen lassen zu wollen.
- Biblis, Neckarwestheim und Philippsburg werden abgerissen – was fehlt ist ein Konzept
9. August 2012 – Es werden endlich Fakten geschaffen: die AKW Betreiber RWE und EnBW haben Anträge gestellt, die stillgelegten Atommeiler Neckarwestheim-1, Philippsburg-1 und Biblis A und B abzureissen. Es wird Jahrzehnte dauern, bis tausende Tonnen Schutt und radioaktiver Abfall entsorgt sind. Denn es fehlt ein Konzept, mehr als ein Jahr nach der Stilllegung ist bei keiner der atomrechtlich zuständigen Landesbehörden ein konkretes Stilllegungskonzept eingegangen. Und die Sicherheit bleibt auf der Strecke.
- Auch Vattenfall klagt gegen Atomausstieg
13. Juli 2012 – Nach Eon und RWE kämpft auch der Energiekonzern Vattenfall mit einer Verfassungsbeschwerde um eine Entschädigung für den Atomausstieg. Atomkraftgegner weisen Forderungen an den Steuerzahler zurück, schließlich waren die AKW Brunsbüttel und Krümmel jahrelang vom Netz, eine Wiederinbetriebnahme ungewiss und heftig umstritten.
- AKW-Rückbau: Vattenfall drückt sich vor Verantwortung
28. März 2012 – “Vertagt” wurde das Konzept, wie Vattenfall den Rückbau der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel gestalten will. Einen erneuten Beweis für das absolut unverantwortliche Handeln sehen Atomkraftgegner und warnen vor Ruinen, die Jahrzehnte eine latente Gefahr darstellen. Schnellstmöglich muss mit dem Abriss begonnen werden, damit eine Wiederinbetriebnahme nicht mehr möglich ist.
Quellen (Auszug): waagwf.wordpress.com, umweltfairaendern.de; 09.08.2012