Castortransporte werden zu Wahlkampfthema
Niedersachsens Umweltminister Birkner (FDP) will künftige Atommülltransporte nach Gorleben verhindern: „Jetzt sind auch mal andere dran“. Süddeutschland oder Schleswig-Holstein mit dem Zwischenlager in Brunsbüttel zum Beispiel. Die Endlagerdebatte nimmt angesichts des Wahlkampfes in Niedersachsen wieder an Fahrt auf. Das Ziel ist einfach: Ruhe im Wendland, um Gorleben als Endlager durchzusetzen.
Stefan Birkner lehnt in einem Interview mit der „Financial Times Deutschland“ weitere Castor-Transporte nach Gorleben ab. Das Land habe den gesamten deutschen Atommüll aus ausländischen Wiederaufbereitungsanlagen eingelagert, sagte der Umweltminister am Donnerstag. Die restlichen Castoren aus dem britischen Sellafield und dem französischen La Hague könnten entweder in Süddeutschland oder in einem Zwischenlager in Schleswig-Holstein, „küstennah“ und mit „Seehafen in der Nähe“ deponiert werden. Dafür müssten die jeweiligen Betreiber der AKW zustimmen, die Verfahren sind langwierig und werden mit Sicherheit auf Ablehung stossen. Sofern nicht etwa eine angemesse Entschädigung fließt oder es Zugeständnisse anderer Art gibt. Könnte man zum Beispiel das Wiederanfahren eines alten Meilers gegen die Einlagerung von hochaktiven Castorbehältern tauschen?
Die Eignung Gorlebens als Endlager für hochradioaktiven Müll ist bis in die letzten Politikerreihen zumindest zweifelhaft. Gleichzeitig rollten aber immer wieder Castorbehälter in das Zwischenlager, zuletzt im November 2011 unter großer Polizeipräsenz und gegen den geballten Widerstand im Wendland. Jeder Behälter zementiert den Standort für ein Endlager. Kein Bundesland hat in der Vergangenheit mit der Asse, Schacht Konrad und Gorleben mehr Lasten getragen als Niedersachsen. Rollen auch die letzten Castoren wieder nach Gorleben, ist damit die angeblich „ergebnisoffene“ Endlagersuche entschieden. Denn der Aufwand, alle Behälter an einen anderen Ort zu schaffen, wäre immens.
Dieser neue Birkner-Vorstoss kann Bewegung in die festgefahrenen Gespräche über eine Suche nach einem atomaren Endlager bringen. Bislang streiten sich die Parteien besonders um den Standort Gorleben: fliegt er von vornherein raus, oder bleibt er als gleichberechtigter Standort in einem Vergleichsverfahren erhalten. Letzteres wollen vor allem Industrie und Wirtschaftspolitiker, schließlich wurden bereits über 1,6 Milliarden Euro investiert.
Im Januar 2013 stehen in Niedersachsen Landtagswahlen an, die FDP will sich offenbar als die „Gorleben-Verhinderer“ profilieren. Birkner fordert nun zumindest eine „schnellstmögliche“ politische Entscheidungen über Gorleben. Im Gegensatz zu SPD und Grüne wollen CDU und FDP Gorleben aber gar nicht aus dem neuen Endlagersuchverfahren ausklammern.
Somit ist dieser Schachzug vom niedersächsischen Umweltminister zwar parteipolitisch raffiniert – die FDP liegt am Boden -, am Ende aber ohne Wert, denn wer Gorleben im Verfahren lässt und gleichzeitig ein Transportestopp fordert, der möchte nur, dass im Wendland Ruhe einkehrt. Ruhe, um am Ende den Salzstock als Endlager durchzusetzen. Dass er damit im Wendland punkten kann, daran glaubt er hoffentlich nichtmal selbst.
„Seit November letzten Jahres reden niedersächsische Minister davon, dass Gorleben nicht mehr angefahren werden soll, aber niemand hat Verhandlungen mit der GNS aufgenommen, statt der üblichen Beteuerungen wollen wir Taten“, fordert Wolfgang Ehmke von der BI Lüchow-Dannenberg.
Immerhin erkennt auch die „Financial Times“ an, dass das Zwischenlager Gorleben nicht durch die Macht des Faktischen zum Endlager werden darf. Doch noch stehen fünf Castoren mit mittelradioaktiven Abfällen aus Deutschland in La Hague und 21 Behälter mit hochradioaktivem Material in Sellafield. Die Transporte steht nach derzeitigen Informationen frühestens 2015 an. Es bleibt also noch ein wenig Zeit, bis Herr Birkner aus seinen Worten Taten folgen lässt. Er könnte aber schon heute als ein erstes Signal den Transport über niedersächsische Häfen verbieten.
- Neue Castor-Transporte für Gorleben angekündigt
5. Juli 2012 – Wie ist das mit der Halbwertzeit von Politiker-Versprechen? Im Herbst 2011 betonten der damalige niedersächsische Umweltminister Hans –Heinrich Sander (FDP) und sein Kabinettskollege, der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) übereinstimmend, sie gingen davon aus, “das war der letzte Transport, der nach Gorleben gekommen ist”. Nun wurden neuen Castoren für Gorleben angekündigt.
- Gorleben wird nicht eingemottet, der Standort wird ausgebaut
21. Mai 2012 – Auf Gorleben kommt noch mehr hochradioaktiver Müll zu als bisher geplant, das berichtete die Aachener Zeitung Ende letzter Woche. Geplant ist ein sogenanntes Swapping, ein “Müll -Tausch”.
- Castor-Moratorium gefordert: “Der nächste Castor-Transport ist politisch absolut falsch”
5. November 2011 – Ein Satz nicht etwa einer Bürgerinitiative aus dem Wendland sondern von Niedersachsens Umweltminister Sander (FDP). Auch sein Kollege, Ministerpräsident McAllister freut sich nicht über die Ende November geplanten Strahlenfracht und sieht darin eine “besondere Belastung für das Land”. Die Kritik an Gorleben wird immer lauter.
- Gorleben: Der Castor-Wahnsinn geht weiter
2. August 2011 – Der im November erwartete Castortransport nach Gorleben ist entgegen offiziellen Ankündigungen wohl doch nicht der letzte aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Für 2014 sei ein weiterer Transport aus Frankreich geplant, sagte der Sprecher der Gesellschaft für Nuklearservive (GNS), Jürgen Auer, am Dienstag auf dapd-Anfrage.
Quellen (Auszug): dpa, ftd.de, bi-luechow-dannenberg.de; 06.09.2012