Möglicherweise radioaktive Partikel um Hamm-Uentrop
Um das ehemalige Atomkraftwerk Hamm-Uentrop wurden Mikro-Kügelchen gefunden, laut Experte Heinz-Werner Gabriel sind sie radioaktiv. Stammen sie aus dem THTR? Ein Störfall im Jahre 1986 könnte eine Erklärung sein. Damals waren große Mengen radioaktive Aerosole in die Umgebung gelangt.
Ursprünglich war geplant gewesen, den Reaktorkern des „Thorium-Hochtemperatur-Reaktors“ Hamm-Uentrop mit rund 675.000 Brennelement-Kugeln von der Größe eines Tennisballs zu befüllen, die wiederum 15.000 beschichtete Teilchen („coated particles“) enthielten, die mit dem Kernbrennstoff Urangefüllt sind. Weil die USA die Lieferung 1977 – also neun Jahre vor dem Betriebsbeginn – einstellte, musste eine andere Lösung für den Brennstoff gefunden werden. Wissenschaftler haben daraufhin die Ersatzlösung „PAC“ entwickelt, Kleinst-Kügelchen mit den spaltbarem „Transuran“ Plutonium, Americium und Curium.
Diese Ersatz-Kügelchen waren aber mechanisch nicht so fest wie die ursprünglichen „coated particles“ gewesen. Folglich war es bei einem Bruch einer großen Kugel – der derweil viel öfter vorgekommen sei als ursprünglich kalkuliert – mehr Staub entstanden, weil die Kügelchen zermahlen wurden. Dieser viel feinere Staub konnte sich dann bei einer Freisetzung weiter verteilen und leichter eingeatmet werden.
Geologe Achim Hucke hatte zusammen mit einer Schülerin als Teil eines Schülerprojektes beim Wettbewerb „Jugend forscht“ im März 2012 winzigen Kugeln um den THTR gefunden. Die Untersuchung lief unter dem Motto „ob der THTR seine Umwelt beeinflusst hat“. Ende März wurden die Kugeln auch in der Ortschaft Uentrop bestätigt. Hucke hat 24 Bodenproben rund um den THTR genommen – in allen Himmelsrichtungen und im Abstand von einem, zwei und drei Kilometern, also auch bis in die Ortschaft Uentrop hinein. Und in allen Proben – mittels einfachem Spatenstich in fünf bis zehn Zentimetern Tiefe – habe er die im Mikrometerbereich großen Kügelchen gefunden.
„Wer im Umfeld von Kugelhaufen-Reaktoren geforscht und gearbeitet hat, der kennt diese Kugeln aus dem Effeff“, betonte Gabriel kürzlich auf einer kurzfristig anberaumten Infoveranstaltung. Ihm seien die kleinen Partikel eindeutig von seiner Arbeit in der Kerntechnik bekannt.
Gabriel hatte lange Jahre als Diplom-Ingenieur bei der Entwicklung von Reaktoren im In- und Ausland mitgewirkt und ist seit einigen Jahren als Gutachter für verschiedene Auftraggeber unterwegs. Er habe in eigenen Untersuchungen nachweisen können, dass die Kügelchen „zweifelsfrei radioaktiv“ seien. Für ein genaues Ergebnis seien jedoch Untersuchungen mit besseren Geräten nötig.
- „Die Kügelchen sind nicht radioaktiv“, so lautet das Ergebnis einer ersten Untersuchungen in der Strahlenmessstelle des Landesinstitutes für Arbeitsgestaltung in Düsseldorf im April 2012.
Bereits im April waren die Kügelchen in Düsseldorf untersucht worden, und offizielle Labore hätten versucht „die Sache in Richtung null zu bringen“, warf Gabriel den Behörden vor. Die Ergebnisse wären kleingeredet bzw. durch Umstände des Messverfahrens abgemildert worden, dabei seien die Messungen gar nicht ausreichend lange durchgeführt worden und der Abstand von Probe zu Detektor zu klein gewesen, meint Gabriel. Nichtsdestotrotz könne man in den Grafiken deutlich die Aktivität der Folgeprodukte des radioaktiven Elements Thorium erkennen. Von der Strahlenschutz-Messstelle in Düsseldorf würden diese jedoch fälschlicherweise dem natürlich vorkommenden Radon zugeordnet.
Gabriel fordert nun erneute und exaktere Messungen. Dabei sollte eine Universität die Auswertungen vornehmen, weil in Landesinstituten und anderen, von Staatsaufträgen abhängigen Labors die Gefahr der Manipulation zu groß sei.
Im THTR Hamm-Uentrop war es 1986 zu einem Störfall gekommen. In der Nacht vom 4. zum 5. Mai 1986 traten radioaktive Aerosole aus als zerbrochene Kugelbrennelemente Rohre der Beschickungsanlage verstopften. Die Bedienmannschaft hatte versucht, die Rohre mit hohem Gasdruck freizublasen. Weitere Versuche hatten zur Folge, dass sämtliche verklemmten Kugeln zerbrachen und Teile der Anlage verbogen wurden: Die Gasschleuse sollte das Entweichen des Kühlmediums Helium aus dem Reaktor verhindern und hatte sich, wohl durch die Reste der kaputten Kugeln, verklemmt. Der kontaminierte Staub der zerbrochenen Kugeln und jede Menge kontaminiertes Helium gelangten so in die Umgebungsluft – innerhalb von kurzer Zeit eine große Menge Radioaktivität. Just zu der Zeit war, Kritiker sagen „natürlich rein zufällig“, auch noch ein wichtiges Messinstrument abgeschaltet, so dass nachher niemand mehr sagen konnte wie viel Strahlung wirklich freigesetzt wurde. Im gleichen Zeitraum stieg wegen der Katastrophe von Tschernobyl am 26.04.1986 die Radioaktivität in der Umgebung an. Der Betreiber stritt jeden Zusammenhang mit einem Störfall ab, erst ein anonymer Informant machte die Aufsichtsbehörden aufmerksam. Der Reaktor wurde vorübergehend abgeschaltet – und das Ende des THTR war eingeläutet.
Als der Reaktor 1987 nach nur zwei Jahren Betrieb und zahlreichen Störfällen stillgelegt wurde, sind lediglich 600.000 der ursprünglich 675.000 Kugeln in intaktem Zustand in das Brennelementezwischenlager im münsterländischen Ahaus gebracht worden. Die Differenz ist bis heute nicht eindeutig geklärt, die Kugeln könnten komplett zermahlen oder als Kugelbruch abgefüllt worden sein.
Das große Problem an der ganzen Geschichte ist, dass Besucher der Info-Veranstaltung Mitte Dezember in Hilbeck sagten:
„Wir sind Anwohner des Kraftwerks, leben in Eilmsen-Vellinghausen. In unserer Straße ist Krebs in jedem Haus“.
Es muss also Untersuchungen geben, ob die Kügelchen radioaktiv sind und ob es einen Zusammenhang mit Krebserkrankungen um den THTR gibt. Fakt ist, das auch niedrige Strahlungsdosen krank machen können.
Erinnerungen an die Elbmarsch werden wach. Dort wird seit Jahrzehnten der Fund von solchen Mikrokügelchen rund um die Forschungsanlage GKSS und das AKW Krümmel bestritten und ein Zusammenhang mit dem weltweit größten Leukämie-Cluster unter Kindern bestritten.
- Verlorene Mädchen: Immer mehr Hinweise auf „Geschlechterlücke“ bei radioaktiver Niedrigstrahlung
27. April 2012 – In Regionen und Zeiten erhöhter künstlicher Radioaktivität werden weniger Mädchen geboren – Wissenschaftler finden Auffälligkeiten nach atmosphärischen Atomwaffentests, nach der Katastrophe von Tschernobyl und in der Region um das Zwischenlager Gorleben – Erklärungsansätze führen das Phänomen zurück auf zum Zeitpunkt der Befruchtung ohnehin fehleranfällige Entwicklungsprozesse, die auch auf ionisierende Strahlung besonders empfindlich reagieren – Deutsche Umwelthilfe fordert Untersuchungsprogramm.
- KIKK-Studie: Krebsgefahr im Nahbereich von Atomanlagen erhöht
10. Mai 2011 – Das Risiko für Kinder an Leukämie (Blutkrebs) zu erkranken nimmt nach der Studie “Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KiKK-Studie)” zu, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerk liegt. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz, teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Auftraggeber der Studie am Samstag, den 08.12.2007 mit. BfS-Chef König: “Das Risiko für Kinder, an Leukämie zu erkranken, ist umso größer, je näher sie am Reaktor wohnen”.
- Erhöhte Zahl von Krebserkrankungen um AKW Brokdorf
18. Januar 2012 – Die Wahrscheinlichkeit im Nahbereich eines Atomkraftwerkes an Leukämie zu erkranken, ist um 44 Prozent erhöht. Vor fünf Jahren hat die KIKK-Studie nachgewiesen, dass besonders Kinder betroffen sind, vor wenigen Tagen veröffentlichten französische Forscher eine Studie zu einer vermehrten Erkrankungsrate um die AKWs im eigenen Land. Um das Atomkraftwerk Brokdorf sind zwischen 1998 und 2008 fast 150 Menschen erkrankt. Nun fordern die Menschen Klarheit und die Stilllegung des Reaktors.
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12. Januar 2012 – Im Umfeld von französischen Atomkraftwerken ist laut einer Studie über einen Zeitraum von sechs Jahren ein deutlicher Anstieg von Leukämieerkrankungen bei Kindern festgestellt worden. Wie in Deutschland könne ein direkter Zusammenhang zwischen den Atomanlagen und der Leukämie aber nicht nachgewiesen werden. Atomkraftgegner behaupten das Gegenteil und fordern das sofortige Aus aller Atomkraftwerke.
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4. August 2011 – Kleinkinder im Nahbereich von Atomkraftwerken haben ein signifikant erhöhtes Risiko an Leukämie zu erkranken. Das belegt eine heute im Strahlentelex veröffentlichte Metaanalyse des Wissenschaftlers Dr. Alfred Körblein. Die gemeinsame Auswertung von Daten aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz zeigt im 5km-Bereich eine signifikant um 44 Prozent erhöhte Leukämierate gegenüber der Rate im Entfernungsbereich größer als 5 km (p=0,004).
- Atomausstieg? Die Wahrheit Teil 16: Leukämie um AKWs bleibt Zufall
14. Juli 2011 – Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Die erhöhte Leukämie-Erkrankung von Kindern im Nahbereich um Atomkraftwerke ist aber weiterhin ungeklärt – Wissenschaftler meinen, alles sei reiner “Zufall”.
Quellen (Auszug): http://www.soester-anzeiger.de, 15.12.2012; wa.de, 22.03.2012