Störfall im Forschungsreaktor Garching

Im Forschungsreaktor der Technischen Universität München hat sich ein Störfall ereignet: Wegen erhöhter radioaktiver Werte musste der Reaktor in Garching zeitweise heruntergefahren werden. Atomkraftgegner kritisieren seit Jahren die Verwendung von hochangereichtertem Uran und fordern das Ende.

Forschungsreaktor München (rechts FRM-II, links FRM-I); Bild: google

Forschungsreaktor München (rechts FRM-II, links FRM-I); Bild: google

Der Reaktor sei am 9. November „vorsorglich und geplant“ heruntergefahren worden, nachdem an einem Filter auffällige Werte des radioaktiven Isotops C14 festgestellt worden seien, so eine Sprecherin der Forschungseinrichtung der Technischen Universität München (TUM). Sie bestätigt damit Berichte von Medien und Umweltschützern, die erst auf den Störfall aufmerksam gemacht hatten.

  • Die Werte, die an Abluftfiltern gemessen wurden, seien um etwa 50 Prozent gegenüber dem üblichen Betrieb erhöht gewesen. Es seien aber keine Grenzwerte überschritten worden.

Grund für die auffälligen Werte sei eine Änderung bei Reinigungsvorgängen innerhalb des Reaktors gewesen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Diese Abläufe seien inzwischen wieder geändert worden, so dass keine weiteren erhöhten Werte zu erwarten seien. Im Anschluss sei der Reaktor am 6. Dezember wieder angefahren worden.

Das Umweltinstitut München fordert nun, in Zukunft regelmäßige Messungen von unabhängiger Seite vorzunehmen. Die Jahres-Genehmigungswerte seien bei Garching bereits zu 95 Prozent ausgeschöpft, was auch das TUM bestätigte. Normalerweise werde die genehmigte Abgabe von C14 und anderer Radioaktivität nur zu 10 Prozent ausgeschöpft. Karin Wurzbacher vom Umweltinstitut vermutet, dass „bis Jahresende offenbar noch die letzten 5 Prozent genutzt werden“ sollten. Die Emissionen in Garching seien in den vergangenen Jahren stark gestiegen. „Da hätte man längst reagieren müssen“, so Wurzer gegenüber der Presse.

Am Standort befinden sich zwei Forschungsreaktoren, von denen sich einer (FRM II)  in Betrieb befindet. Die Forschungsreaktoren gehören zur Technischen Universität München.

Der „Forschungsreaktor München II“, klobiger Nachfolger des in die Jahre gekommenen Garchinger „Atom-Eies“, ist nicht nur der einzige Neubau eines Atomreaktors in Deutschland seit Tschernobyl. Er ist auch der einzige Reaktor weltweit, dessen Entwickler ein Abrüstungsprogramm nutzten, um Abrüstungsziele zu unterlaufen. Grundsätzlich ist der FRM II umstritten, denn es wird hochangereichtertes Uran als Brennstoff eingesetzt, das auch atomwaffentauglich ist. Atomkraftgegner fordern nicht allein aus diesem Grund das sofortige Aus.

Im Frühjahr 2011 hatte es Debatten um mögliche Rostablagerungen an dem Forschungsreaktor gegeben. Umweltschützer und Landtags-Grüne warfen der TUM damals eine Vertuschung von Rostschäden vor.

weitere Störfälle in Garching:

  • 12.10.1992 – Reaktorschnellabschaltung infolge einer ausgefallenen Neutronenflussmessung
  • 04.12.1992 – Reaktorschnellabschaltung infolge einer Störung einer Elektronikbaugruppe
  • 10.12.1992 – Leckage im Primärkühlwassersystem
  • 20.12.1992 – Reaktorschnellabschaltung infolge eines defekten Neutronenflußmesskanals
  • 04.05.1993 – Reaktorschnellabschaltung beim Anfahren
  • 13.07.1993 – Reaktorschnellabschaltung bei Kalibrierarbeiten an einem Neutronenflussmesskanals
  • 27.09.1993 – Fehlfunktion eines Neutronenflussmesskanals bei Grenzwerteinstellung
  • 15.10.1993 – Ausfall des Sicherheitskanals 1 beim Anschluss eines Parametriergerätes
  • 01.02.1994 – Reaktorschnellabschaltung durch Fehlanregung eines Grenzwertes
  • 02.02.1994 – Reaktorschnellabschaltung durch Fehlanregung eines Grenzwertes
  • 02.08.1994 – Nichterfolgte Umschaltung auf Notstromversorgung bei wiederkehrender Prüfung des Notstrom-Dieselgenerators
  • 19.09.1994 – Reaktorschnellabschaltung infolge Ausfall des Sicherheitskanals 2 beim Anschließen das Parametriergerätes
  • 04.10.1994 – Reaktorschnellabschaltung infolge einer Fehlfunktion des Sicherheitskanals 2
  • 05.12.1994 – Reaktorschnellabschaltung nach Abfall von Trimmstäben
  • 18.12.1995 – Reaktorschnellabschaltung durch ein Fehlsignal aus der Strahlenschutzinstrumentierung
  • 15.05.1996 – Funktionsausfall in der Steuerung des Krans der Reaktorhalle
  • 13.12.1996 – Reaktorschnellabschaltung durch Ausfall einer Primärpumpe
  • 13.12.1996 – Reaktorschnellabschaltung beim Anfahren der Anlage
  • 13.03.1997 – Loser Gegenstand im Reaktorbecken
  • 10.04.1997 – Reaktorschnellabschaltung wegen eines Lecks im Primärkühlkreislauf / Undichtigkeit zwischen Reaktorbecken und Primärkühlmittelleitung
  • 16.07.1997 – Automatische Reaktorschnellabschaltung infolge eines Fehlsignals
  • 23.09.1999 – Zweimalige Fehlauslösung der Reaktorschnellabschaltung infolge eines defekten Druckschalters
  • 19.10.1999 – Fehlauslösung der Reaktorschnellabschaltung
  • 14.03.2000 – Reaktorschnellabschaltung nach Ausfall der Hochspannungsversorgung eines Neutronenflusskanals
  • Auch Forschungsreaktoren sind unsicher
    22. Juni 2012 – Erstmals sind Forschungsreaktoren einem Stresstest unterzogen worden. Das Ergebnis: auch Deutschlands  “kleine” Meiler sind nicht sicher. Abhilfe sollen neue Notfallbücher schaffen – doch gegen den Absturz eines Flugzeuges auf die Forschungseinrichtungen inmitten von Großstädten wird das kaum helfen. Atomkraftgegner fordern die Stilllegung der alten Reaktoren.
  • Atomausstieg? Die Wahrheit Teil 14: Forschungsreaktoren laufen weiter
    8. Juli 2011 – Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Doch die deutschen Forschungsreaktoren bleiben unangetastet.

Quellen (Auszug): dpa, mittelbayerische.de, 21.12.2012; Armin Simon: Das Atomare Kuckucksei, Bundesamt für Strahlenschutz