Weltweite AKW-Bilanz 2012: Atomkraft tritt auf der Stelle und wird von Solar- und Windkraft überrannt
Auch 2012 wurden weltweit nur zwei neue Reaktoren in Betrieb genommen und mit dem Bau von drei Reaktoren begonnen. Zwei wurden stillgelegt. Zwei AKW-Baustellen wurden endgültig wieder aufgegeben. Die Erneuerbaren Energien überrannten die Atomenergie.
Ende 2012 waren weltweit 437 AKW-Reaktoren in Betrieb. Eigentlich nur 431, da sechs weitere Atomreaktoren in Fukushima nicht offiziell aber de facto still gelegt sind. Ende 2000 waren noch 444 AKW-Blöcke in Betrieb. Seit Beginn der Fukushimakatastrophe haben sogar Länder wie China, Indien und Südkorea, die in den letzten zehn Jahren immer neue AKW-Bauabsichten verkündet hatten, die Signale auf Abwarten gestellt. Die Bautätigkeit wird nicht reichen, um die in die Jahre gekommenen und bald aus Altersgründen vom Netz gehenden Atomreaktoren zu ersetzen. Vor Tschernobyl wurden in manchen Jahren 20 und sogar über 30 Reaktoren neu in Betrieb genommen. 2012 waren es nur zwei.
In Europa ganz wenige Neubauten und die werden richtig teuer und unrentabel
In West- und Nordeuropa werden zwei Atomreaktoren neu gebaut. In Finnland wie in Frankreich entsteht jeweils ein EPR (European Pressurized Water Reactor). Im finnischen Olkiluoto sollte zum Festpreis von 3 Milliarden Euro und finanziert mit Krediten der Bayerischen Landesbank so ein Druckwasserreaktor erstellt werden und ursprünglich 2009 in Betrieb gehen. Jetzt steht die Kostenkalkulation bei 8,5 Milliarden Euro und die Fertigstellung wird für 2015 prognostiziert.
Schlecht läuft es auch für die Atomindustrie mit dem zweiten EPR im französischen Flamanville. Kürzlich wurde bekannt gegeben, dass die Kosten nochmal um zwei Milliarden auf voraussichtlich auch 8,5 Milliarden Euro steigen werden. Statt wie ursprünglich geplant 2012 vermutet man jetzt eine Inbetriebnahme frühestens in 2016.
Anfangs hatte man den EPR mit Stromproduktionskosten von knapp 3 Cent je Kilowattstunde angepriesen. Jüngst hieß es im World Nuclear Industry Status Report 2012, der Strom könne nicht für weniger als 11 -16 Cent je Kilowattstunde geliefert werden.
Besorgniserregend ist, dass in Frankreich mit seinen 58 alten Atomreaktoren der AKW-Ausfall steigt. Im letzten Jahr standen bei unserem Nachbarn die AKW nur noch 76 Prozent der Zeit zur Verfügung. Hoffentlich wird bei Stromengpässen in Frankreich nicht entschieden: „Stromproduktion muss auch mal vor Sicherheit gehen“
Irrer Rekord in den USA
1973 begann man den Bau des Reaktors Watts-Bar-2. 1976 sollte er fertig sein. Eigentlich hatte man nach vielen Bauunterbrechungen und Verzögerungen die Inbetriebnahme jetzt für 2012 angekündigt. Aber 2012 hieß es, vor 2015 oder 2016 würde der Reaktor nicht fertig.
In den letzten fünf Jahren sind in den USA auch zig Milliarden staatliche Bürgschaften für den Bau neuer Reaktoren zugesagt worden und die Genehmigung für 28 Reaktoren wurde beantragt. Aber die meisten Verfahren treten auf der Stelle. Acht Anträge wurden sogar wieder zurückgezogen. Hauptgrund: Der Strom aus neuen AKW ist mit vorkalkulierten 8 – 11 ct/kWh zu teuer. Und das, obwohl Kosten für Unfallhaftung und Atommüll-Lagerung auf Staat, Steuerzahler und Nachkommen abgewälzt werden.
Osteuropa und Asien
Auf China, Indien und Russland entfallen drei Viertel aller AKW-Neubauten. Dort stehen 43 AKW-Baustellen in der Liste. Brutal werden neue AKW-Bauten in Indien im wahrsten Sinne des Wortes durchgeprügelt. Besorgniserregend ist auch China. Zurzeit werden in diesem boomenden Land 26 Atomreaktoren gebaut. Allerdings war auch für China Fukushima ein Einschnitt. Bis zum März 2011 stieg die Zahl der neuen AKW-Baustellen: 2008 waren es sechs, 2009 dann neun, 2010 bereits 10. Die Fukushimakatastrophe führte jedoch dazu, dass 2011 kein neuer AKW Bau begonnen wurde. Auch 2012 nicht.
Aufgabe von Atomplänen
Nach Beginn der Fukushima Katastrophe haben Japan und Bulgarien zwei Reaktorneubauten eingestellt. In Japan hält man sich jedoch einen Weiterbau noch offen. In Ägypten, Brasilien, Indien, Großbritannien, Kuwait, den Niederlanden und der USA strichen Investoren neue AKW-Pläne. Belgien, Schweiz und Spanien beschlossen den Atomausstieg. In Italien wie auch in Litauen bestimmten in Volksentscheiden große Mehrheiten die Abkehr von Atomplänen.
Erneuerbare Energien überrennen die Atomkraft
Die Weltzahlen 2012 zum Ausbau von Solar- und Windkraft werden erst in einigen Monaten vorliegen. Aber die Entwicklung im Jahr 2011 lässt Gutes vermuten: 2011 schrumpfte die Atomkraft um 7,4 GW (Gigawatt = Millionen Kilowatt). Die Windkraft wuchs um 40 GW und der neue Star Solarkraft nahm um 30 GW zu. 2012 stagnierte die Atomkraft, aber die Solaranlagen werden um schätzungsweise 40 GW und die Windkraft um 45 GW gewachsen sein.
Wir Umweltschützer setzen uns auch 2013 dafür ein, dass alle AKW vor dem nächsten GAU abgeschaltet werden. Und dass weltweit mit Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien eine enkeltaugliche Energiewirtschaft entsteht.
- Statusbericht: Die meisten AKW-Neubauprojekte wurden storniert, verschoben oder annulliert
8. Juli 2012 – Die Atomkatastrophe von Fukushima hat die Situation der Atomindustrie weltweit dramatisch verändert: in zahlreichen Ländern werden Reaktoren stillgelegt und AKW-Projekte aufgegeben, schreibt Energieexperte Mycle Schneider im “World Nuclear Industry Status Report 2012?. Die Branche leidet aber nicht nur unter dem GAU, sondern auch unter der globalen Wirtschaftskrise, der Konkurrenz anderer Energiequellen, vornehmlich Gas und Erneuerbare, und eigenen Planungs- und Managementproblemen. Kurz: Die Atomenergie befindet sich im Niedergang – und Neubauten rechnen sich nicht mehr.
- Status-Bericht: Immer weniger Atomkraft auf der Welt
17. Dezember 2012 – Nach der Abschaltung des spanischen Atomkraftwerks Santa Maria de Garona befinden sich nunmehr noch 430 Reaktoren weltweit in Betrieb. Entgegen der Propaganda von der weltweiten Renaissance werden es immer weniger – vor allem in Europa.
- World Energy Outlook 2012: Strom aus Atomkraft wird weniger
23. November 2012 – Laut Hochrechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der Anteil an Atomkraft im weltweiten Strommix weiter abnehmen. Bis 2035 nimmt die Lobbyorganisation eine Verringerung von 13% auf 12% an – rechnet aber trotzdem noch mit einem massiven Ausbau in zahlreichen Ländern. Immerhin revidiert die IEA ihre letztjährige Prognose leicht nach unten – und gesteht damit den Einfluss des Super-GAU von Fukushima auf die weltweite Entwicklung ein: sie sei “ungewisser” geworden.
Quelle: FORUM / www.atommuell-lager.de; 01.01.2013