Belgien: Ein Wiederanfahren von Doel 3 und Tihange 2 ist wegen ungeklärter Sicherheitsrisiken unverantwortlich
Im August und September 2012 wurden Defekte in den Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 in Belgien bekannt. Beide Reaktoren stehen deshalb zurzeit still. Die Empfehlung der belgischen Aufsichtsbehörden, ob die Reaktoren wieder angefahren werden können, wird in Kürze erwartet. Die Fraktion Grüne/EFA im Europaparlament hat deshalb die unabhängige Materialexpertin Dr. Ilse Tweer beauftragt die vorhandenen Informationen zu den Fällen zu sichten und zu bewerten. Diese Arbeit wurde heute im Europäischen Parlament vorgestellt.
„Es wäre unverantwortlich die Reaktoren wieder anzufahren, bevor die von Frau Dr. Tweer aufgeworfenen Fragen beantwortet sind. Solange wir nicht zweifelsfrei wissen, wann und wodurch die Defekte im Stahl entstanden sind und ob diese sich im Betrieb unter Umständen vergrößern, müssen die Reaktoren abgeschaltet bleiben“, fordert Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Atomexpertin.
Ein plötzliches Bersten des Druckbehälters könnte sonst in der dicht besiedelten Region um die Reaktoren katastrophale Folgen haben.
Auch über Belgien hinaus müssten laut Harms Schlussfolgerungen aus dem Fall gezogen werden. Alle Reaktoren sollten vollständig auf ähnliche Fehler untersucht werden, soweit dies noch nicht geschehen ist. Außerdem hätte der Fall das Scheitern der Atomaufsicht zum Vorschein gebracht:
- Tausende von Fehlern im Druckbehälter wurden erst nach 30 Jahren im Betrieb entdeckt und die Dokumentation vom Stahllieferanten und Herstellern ist lückenhaft.
Nicht zuletzt zeige der Fall aber auch, wie gefährlich die Einschränkung der europäischen Stresstests allein auf äußere Einflüsse durch Naturkatastrophen ist, so Harms weiter. Die Gefahren, die wie in den belgischen Reaktoren durch Materialmängel oder -alterung drohen blieben unberücksichtigt. Die Fehler in den Reaktordruckbehältern konnten deshalb im Rahmen der Stresstests nicht entdeckt werden und finden auch in den Aktionsplänen keine Erwähnung.
„Von Kommissar Oettinger erwarten wir umgehend eine Stellungnahme zu den Sicherheitsfragen in Doel 3 und Tihange 2. Zudem darf Günther Oettinger als einer, der die Zukunft der Atomindustrie propagiert, den europäischen Stresstest nicht länger als Alibi missbrauchen“, fordert Harms. „Der Kommissar verspricht seit der Fukushima-Katastrophe vor zwei Jahren, dass die nukleare Sicherheitsrichtlinie verschärft werden soll. Wir erwarten, dass er endlich liefert.“
- Studie von Dr. Ilse Tweer: Flawed Reactor Pressure Vessels in Belgian Nuclear Plants Doel?3 and Tihange?2 – Some Comments (englisch, pdf, 500kb)
- Belgien: Schrottmeiler dürfen wieder ans Netz
6. Januar 2013 – Zwei Reaktoren in Belgien, in denen tausende Risse im Reaktorbehälter gefunden wurden, dürfen offenbar trotzdem wieder ans Netz gehen. Selbst die Atomaufsicht hatte eine Wiederinbetriebnahme angezweifelt. Atomkraftgegner fordern die sofortige Stilllegung.
- Belgien: Betreiber will zwei AKWs mit tausenden Rissen wieder hochfahren
8. Dezember 2012 – Der französische Energiekonzern GDF Suez will zwei Atomkraftwerke in Belgien, die wegen tausender Risse im Reaktorgebäude seit dem Sommer abgeschaltet sind, wieder hochfahren. Der Konzern habe einen “Beweis”, dass die Meiler für ein Wiederanfahren “geeignet” seien. Repariert wurde bislang nichts.
- Noch ein Leck in Belgiens AKW
14. September 2012 – Wie ein Sprecher des belgischen AKW-Betreibers Electrabel am Donnerstag mitteilte, weist der Reaktorblock 2 von Tihange zudem die gleichen Schäden wie der Block 3 des AKW Doel in Flandern auf: Risse im Reaktordruckbehälter. Möglicherweise steht auch dieses AKW vor dem endgültigen Aus. Atomkraftgegner fordern die Stilllegung aller Reaktoren mit Druckbehältern belgischen Fabrikats.
- 8.000 Risse in belgischem Reaktor!
17. August 2012 – Laut Willy de Roovere, Chef der belgischen Atomaufsichtsbehörde AFCN, sind 8.000 Risse am unteren Teil des dritten Reaktorblocks des belgischen AKW Doel entdeckt worden. Heute wurde ein zweiter betroffener Reaktor abgeschaltet. Die Atomaufsicht zweifelt, dass Doel-3 jemals wieder ans Netz gehen wird. Atomkraftgegner sind entsetzt, denn die Risse wurden erst mit einem “neuen Messverfahren” gefunden.
- Schwachstellen in Reaktorbehälter: Risse in belgischem AKW entdeckt
10. August 2012 – Ein Reaktorblock des belgischen AKW Doel ist von der Atomaufsicht bis auf weiteres stillgelegt worden. Es bestehe der Verdacht auf Risse im Reaktorbehälter vom Block 3. Baugleiche Anlagen stehen auf der ganzen Welt. In Belgien könnten zwei betroffene Meiler für immer stillgelegt werden.
Quelle (Auszug): rebacca-harms.de; 11.01.2013